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Fraunhofer-Institut 2013

Wie viele Elektrofahrzeuge verträgt die CarSharing-Flotte?

Fraunhofer-Institut 2013

„CarSharing und Elektromobilität passen gut zusammen.“ Mit dieser Aussage beginnt das Positionspapier Elektromobilität und CarSharing des bcs. Als gravierendes Problem wird jedoch die Finanzierbarkeit der Elektrofahrzeuge in CarSharing-Flotten gesehen. Genau diese Thematik greift die Studie des Fraunhofer ISI mit dem Titel „Integration von Elektrofahrzeugen in Carsharing-Flotten“ auf. In einer technisch anspruchsvollen, dennoch gut nachvollziehbaren Studie werden die Aussagen mit realen Nutzungsdaten und derzeitigen Kosten belegt.

Die Studie ist umso aussagekräftiger, da das Fraunhofer ISI die Untersuchung am Beispiel des Karlsruher CarSharing-Angebotes Stadtmobil Karlsruhe durchgeführt hat. Wie eine Zusammenstellung des bcs aus dem Frühjahr 2012 belegt, ist Karlsruhe die CarSharing-Hauptstadt Deutschlands. Der Anbieter Stadtmobil Karlsruhe hat mit Abstand das dichteste deutsche CarSharing-Netz auf die Straße gebracht, gemessen in CarSharing-Fahrzeugen pro 1.000 Stadtbewohner.

Wie kann die Wirtschaftlichkeit von Elektrofahrzeugen in CarSharing-Flotten erreicht werden?

Die Studie ist Teil des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Forschungsprojektes „Fraunhofer Systemforschung Elektromobilität“ (FSEM). CarSharing-Flotten sind aus Sicht des Forschungsverbundes aus mehreren Gründen als Ansatzpunkt für die Integration von Elektromobilität in der Gesellschaft geeignet:

  • Elektrofahrzeuge in CarSharing-Flotten bieten den Nutzern die Chance, die Vorteile von Elektrofahrzeugen kennenzulernen, ohne die hohen Anschaffungskosten tragen zu müssen.
  • Die Wirtschaftlichkeit der Elektrofahrzeuge wird durch verminderte Standzeiten (bzw. eine höhere Auslastung) gegenüber privaten Pkw verbessert.
  • Der CarSharing-Markt zeichnet sich durch eine große Dynamik aus und befördert mit seinen Angeboten den Wandel im Mobilitätsverhalten breiter Bevölkerungsschichten.

Den potenziellen Nutzen stehen jedoch die Kosten der Elektrofahrzeuge gegenüber. Ob und wenn ja, in welchem Ausmaß angesichts gegebener Kostenstrukturen die Wirtschaftlichkeit von Elektrofahrzeugen in CarSharing-Flotten erzielt werden kann, ist der Inhalt der Studie.

Simulation der Integration von Elektrofahrzeugen bei gegebenen Fahrleistungsmustern

Zur Simulation wurden die realen Buchungsdaten und Fahrprofile der CarSharing-Kunden von Stadtmobil Karlsruhe und Stadtmobil Berlin herangezogen, die im Zeitraum eines Jahres, von Juli 2009 bis Juni 2010, mit herkömmlich angetriebenen Fahrzeugen bewältigt wurden. Folgende Annahmen liegen den Simulationsrechnungen zugrunde:

  • Es wurde von den Nutzungsstrukturen eines stationsbasierten CarSharing-Angebotes ausgegangen, wie es von den beiden untersuchten CarSharing-Angeboten organisiert wird.
  • Da die Mehrzahl der nachgefragten Fahrten im Kurzstreckenbetrieb und mit geringem Platzbedarf stattfinden, wurde in der Simulation von batteriebetriebenen Kleinwagen mit Batteriekapazitäten von 24 kWh, 20 kWh, 16 kWh und 10 kWh ausgegangen.
  • Es wird eine maximale Entladetiefe von 75 % festgelegt. Dabei wird angenommen, dass die ursprüngliche Batteriekapazität im geladenen Zustand nicht unter 80 Prozent sinkt. Außerdem wird ein 10-prozentiger Sicherheitspuffer eingeplant, um verbrauchsabhängige Reichweiten-Schwankungen und unterschätzte Fahrtlängen seitens der Nutzer abzufedern.
  • Als Ladeinfrastruktur an halböffentlichen CarSharing-Stationen werden 22,2 kW-Ladestationen angenommen.
  • Für das Buchungsmanagement werden drei unterschiedliche Varianten betrachtet:
    a) Spontan-Teilladung: Die Fahrzeuge werden spontan genutzt, wobei der Kunde selbst entscheidet, ob der Ladezustand für seinen Fahrtwunsch genügt.
    b) Spontan-Vollladung: Die Fahrzeuge werden spontan genutzt, jedoch nur bei vollem Ladezustand freigegeben.
    c) Vorausbuchung: Die Fahrzeuge werden im Voraus gebucht. Zwischen zwei Nutzungen wird immer die maximale Standzeit für die volle Ladung der Batterie eingeplant.
  • Gemeinsam mit dem Anbieter wurden die (herkömmlich angetriebenen) Fahrzeuge in der bestehenden Flotte bestimmt, die theoretisch von oben beschriebenen batteriebetriebenen Kleinwagen ersetzt werden könnten.

Im ersten Schritt der Simulation wird geprüft, welche realen Buchungen an den Stadtmobil-Stationen in Karlsruhe aufgrund ihrer Nutzungsdaten (Fahrtlänge, Überschneidungen mit anderen Buchungen) und Fahrzeugauswahl theoretisch auf Elektrofahrzeuge umgebucht werden könnten. Hierbei werden zunächst Umbuchungen lediglich innerhalb einer bestehenden Station unter Wahrung der Gesamtzahl der CarSharing-Fahrzeuge an dieser Station geprüft, in einem weiteren Verfahren wird auch geprüft, ob den Nutzern eine gewisse Flexibilität zugemutet werden kann und Umbuchungen auch zwischen nahe gelegenen Stationen durchgeführt werden könnten. Auch hier wird die Gesamtzahl der Fahrzeuge konstant gehalten. Bei diesen theoretischen Umbuchungen spielen die gewählte Batteriegröße der Elektrofahrzeuge als Bestimmungsgröße für die Reichweite und das betrachtete Buchungsmanagement eine wichtige Rolle. Die übrig gebliebenen Buchungen werden herkömmlich angetriebenen CarSharing-Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor zugeordnet. Als Ergebnis erhält man theoretisch mögliche Jahresfahrleistungen der verschiedenen Fahrzeuge. Dieser Vorgang wird für alle Stationen für alle Fahrten des Jahres durchgeführt.

Dabei kann es vorkommen, dass bestimmte Fahrten an einer Station mit der Anzahl der vorhandenen Fahrzeuge nicht mehr durchgeführt werden könnten. Übersteigen diese summierten Jahreskilometerleistungen ein vorab festgelegten Grenzwert, ist der Einsatz eines Elektrofahrzeugs an dieser Station nicht sinnvoll.

„Im Ergebnis wird durch diese Simulation die Anzahl der Elektrofahrzeuge ermittelt, die bei einer Auswertung pro Station oder Stadtteil theoretisch in die Flotte integriert werden kann, ohne diese vergrößern zu müssen. Da das Simulationstool zu jedem der Elektrofahrzeuge auch die übernommene Jahresfahrleistung ausgibt, kann im nächsten Schritt die Wirtschaftlichkeit einer Integration dieser Fahrzeuge überprüft werden.“ (S. 13)

Die ökonomische Betrachtung überprüft, ab welcher Jahresfahrleistung ein Elektrofahrzeug finanziell attraktiver als ein vergleichbares konventionell angetriebenes Fahrzeug ist. Hierbei wird der Zeitraum 2015 und 2030 betrachtet, die Entwicklung der Kostenstruktur für Elektrofahrzeuge wie für herkömmliche Fahrzeuge wird sowohl in einem denkbar positiven (Min) als auch negativen (Max) Szenario unterschieden, das jeweils von unterschiedlichen Preisentwicklungen bestimmt ist. Als zusätzliches Kriterium wurde auch der Einfluss staatlicher Kaufprämien für Elektrofahrzeuge in unterschiedlicher Höhe untersucht.

Ergebnisse der Simulationsrechnungen

Stadtmobil Karlsruhe hatte im betrachteten Zeitraum Juli 2009 bis Juni 2010 rund 7.000 Kunden im Stadtgebiet. Ihnen standen dauerhaft 416 Fahrzeuge an 136 Stationen zur Verfügung. In die Betrachtung ein gingen 147.000 Buchungen (inklusive Stornierungen und Betriebsfahrten), es wurden 11,6 Mio. Kilometer mit den CarSharing-Fahrzeugen zurückgelegt. 234 Fahrzeuge wurden als relevant durch Elektrofahrzeuge ersetzbar identifiziert.

Fahrzeugmodell 24 kWh-Batteriekapazität und Buchung an jeweils einer Station: Lediglich unter der Voraussetzung positiver Kostenentwicklung und bei unterstellter Spontanbuchung sind im Szenario bis 2030 bis zu vier herkömmliche Fahrzeuge mit wirtschaftlichem Vorteil durch Elektrofahrzeuge zu ersetzen. Bei Spontan-Vollladung sind es drei Fahrzeuge, bei Vorausbuchung ist unter diesen Voraussetzungen von den 243 Stadtmobil-Fahrzeugen keines rentabel durch ein Elektrofahrzeug zu ersetzen.

Bei einem staatlichen Kaufanreiz von 3.000 Euro pro Elektroauto und einer positiven Kostenentwicklung sind bereits 2015 bis zu 12 Elektrofahrzeuge rentabel zu betreiben (bei Spontan-Teilladung, 10 Fahrzeuge bei Spontan-Vollladung). Bei negativer Kostenentwicklung sind erst 2030 bis zu vier herkömmliche Fahrzeuge wirtschaftlich durch Elektrofahrzeuge zu ersetzen.

Fahrzeugmodell 10 kWh-Batteriekapazität und Buchung an jeweils einer Station: Im Vergleich zur 24 kWh-Batterie ergibt sich, dass mit maximal fünf Fahrzeugen deutlich weniger Fahrzeuge theoretisch ersetzbar wären. Allerdings ist deren Wirtschaftlichkeit früher gegeben. Bei positiver Entwicklung der Parameter und der Möglichkeit der Spontan-Nutzung sind bereits 2015 alle fünf Elektrofahrzeuge integrierbar.

Auf weitere Variationen der Simulation (auch der betrachteten 20 und 16 kWh-Batterieleistungen) wird auf die Beschreibungen und Grafiken in der Studie und im Anhang der Studie verwiesen.

Fahrzeugmodell 24 kWh-Batteriekapazität und Buchung innerhalb von Stadtteilen: Bei Auswertungen auf Stadtteilebene erhöhen sich die Umbuchungsmöglichkeiten. Für die Kunden bedeutet dies, dass von ihnen eine gewisse Flexibilität in Bezug auf die Nutzung weiter entfernt gelegener Stationen im selben Stadtteil gefordert wird.

Ohne Subventionen können hier im optimistischen Batteriepreis-Szenario bis zu 12 (im Jahr 2015) bzw. 23 (im Jahr 2030) Fahrzeuge wirtschaftlich ersetzt werden. Wird ein staatlicher Kaufanreiz von 3.000 Euro gewährt, erhöht sich dies auf mehr als 40 Fahrzeuge im Jahr 2015.

Fahrzeugmodell 10 kWh-Batteriekapazität und Buchung innerhalb von Stadtteilen: Auch in diesem Szenario wird die Wirtschaftlichkeit wieder früher erreicht. Bei durchschnittlicher Entwicklung und Spontan-Teilladung sind 2015 acht Elektrofahrzeuge ohne Kaufhilfe einsetzbar, bei positiver Preisentwicklung sogar über 20 Fahrzeuge. Bei einem Kaufanreiz von 3.000 Euro könnten schon vor 2015 elf Elektrofahrzeuge wirtschaftlich eingesetzt werden.

Zusammenfassung der Ergebnisse für Karlsruhe

Ausschlaggebender Parameter für den wirtschaftlichen Einsatz von Elektrofahrzeugen ist die Entwicklung des Batteriepreises. Dabei können Elektrofahrzeuge mit 10 kWh-Batteriekapazitäten zwar schlechter herkömmlich angetriebene CarSharing-Fahrzeuge ersetzen, sind jedoch früher wirtschaftlich. Bei einer durchschnittlichen Entwicklung der Batteriepreise können im Jahr 2015 ein (bei Betrachtung der Stationsebene) bis acht (bei Betrachtung der Stadtteilebene) Elektrofahrzeuge wirtschaftlich in die CarSharing-Flotte integriert werden. Bei einer positiven Annahme sind dies fünf bis 26 E-Fahrzeuge. Bei einer Flotte von 416 CarSharing-Fahrzeugen lassen sich im Jahr 2015 maximal 6,25 Prozent der CarSharing-Fahrzeuge durch Elektrofahrzeuge wirtschaftlich ersetzen. Auch langfristig steigt dieser Anteil nicht bedeutend an. Bei staatlicher Subvention des Kaufs von Elektrofahrzeugen können 15 (auf Stationsebene) bzw. 53 (auf Stadtteilebene) Fahrzeuge ersetzt werden. Dies entspricht einem Anteil von maximal 12,7 Prozent. Diese Substitution wird jedoch nur bei Annahme der flexibelsten Form des Lademanagements, der Spontan-Teilladung, erzielt. Wird eine Vorausbuchung als Lademanagement bevorzugt, verringert sich die Zahl der wirtschaftlich ersetzbaren Fahrzeuge wegen der dann geringeren Fahrleistungen deutlich.

Der Vergleich mit einer kleineren CarSharing-Organisation in Berlin

Mit derselben Methode wurde eine Simulationsrechnung mit den realen Buchungsdaten des kleineren CarSharing-Anbieters Stadtmobil Berlin durchgeführt. Hier standen im Untersuchungszeitraum dauerhaft 26 Fahrzeuge zur Verfügung, von denen 17 zur Gruppe der für Elektromobilität relevanten zu zählen sind.

Die Simulation dieser Daten zeigte eindeutig, dass unter den getroffenen Annahmen kein herkömmlich angetriebenes CarSharing-Fahrzeug wirtschaftlich durch ein Elektrofahrzeug ersetzt werden kann. Das liegt zum einen an der geringeren Ausweichmöglichkeit innerhalb kleiner und weiter auseinander liegender Stationen, die auch durch die Betrachtung auf Stadtteilebene nicht gravierend verbessert wird. Zum anderen werden in Berlin aufgrund der weiträumigeren Entfernungen um ein Drittel höhere Durchschnittsfahrweiten festgestellt, dies erschwert die Ersetzbarkeit durch Elektrofahrzeuge.

Ausblick

Auch wenn eine Übertragung der Ergebnisse von Karlsruhe auf ganz Deutschland nur schwer möglich ist, wurde abschließend eine kleine Hochrechnung vorgenommen. So könnten auf der Basis der Annahmen der Simulation und deren Ergebnisse maximal 625 Elektrofahrzeuge wirtschaftlich in eine Gesamtflotte von 10.000 CarSharing-Fahrzeugen integriert werden.

„Dass die Carsharing-Branche, die auf den ersten Blick sehr gute Voraussetzungen für eine Integration von Elektrofahrzeugen besitzt, also doch nur bedingt hierfür geeignet ist, liegt vor allem an zwei Dingen: Erstens sind wegen der beschränkten Reichweite und den einzuhaltenden Ladezeiten nicht alle Fahrtwünsche mit Elektrofahrzeugen erfüllbar, weswegen ein Einsatz nur vereinzelt in größeren Fahrzeuggruppen möglich ist. Zweitens wirkt sich der in der Carsharing-Branche übliche frühzeitige Verkauf von Neufahrzeugen mit einhergehendem Wertverlust auf Grund der hohen Anfangsinvestitionen der Elektrofahrzeuge negativ auf deren Wirtschaftlichkeit aus.

Kommentar zu den Ergebnissen der Studie aus Sicht des bcs

Die Simulationsrechnungen am Beispiel des dichtesten CarSharing-Angebotes in einer deutschen Großstadt bestätigt die Skepsis des Verbandes und seiner Mitglieder gegenüber der Elektromobilität unter den derzeitigen Kostenstrukturen. CarSharing-Anbieter, die nicht über eine Quersubventionsmöglichkeit innerhalb eines größeren Konzerns verfügen oder Elektrofahrzeuge im größeren Stil im Rahmen eines staatlich geförderten Forschungsprogrammes anschaffen, müssen genau mit den engen Gewinnmargen der Branche kalkulieren. Da stellt sich jedes Jahr aufs Neue die Frage, ob der knappe Jahresüberschuss nutzbringend in die Anschaffung weniger Elektrofahrzeuge investiert werden sollte oder nicht besser in eine stärkere Angebotsausweitung durch Fahrzeuge mit verbrauchsoptimierten herkömmlichen Antriebskonzepten. Wir sind uns sicher, dass der Anteil von Elektrofahrzeugen in CarSharing-Flotten deutlich ansteigen wird, wenn die Batteriekosten spürbar nach unten gehen und die Fahrzeuge auch in der kalten Jahreszeit zuverlässiger werden.

Willi Loose, 30.07.2013

Quelle: Doll, Claus; Gutmann, Martin; Wietschel, Martin: Integration von Elektrofahrzeugen in Carsharing-Flotten. Simulation anhand realer Fahrprofile. Fraunhofer ISI, Karlsruhe, Mai 2011
Die veröffentlichte Studie kann hier als pdf-Datei hier heruntergeladen werden: FSEM_Elektromobilitaet_und_Carsharing_fin-2011-05-06_tcm243-90486.pdf
oder auf der Seite des Fraunhofer ISI: https://www.elektromobilitaet.fraunhofer.de/Images/FSEM_Elektromobilitaet_und_Carsharing_fin-2011-05-06_tcm243-90486.pdf
Siehe auch: Gutmann, Martin: Integration von Elektrofahrzeugen in Carsharing-Flotten. Diplomarbeit. Karlsruhe, Dezember 2010