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24. Januar 2017

Werden Plattformen des privaten Autoteilens durch das Carsharing-Gesetz benachteiligt?

Buchungsplattform peer-2-peer CarSharing (Foto: bcs)Am 21.12.2016 verabschiedete das Bundeskabinett den Entwurf des Gesetzes zur Bevorzugung des Carsharing (CsgG). Er wird nun zur Parlamentarischen Beratung an den Bundestag überwiesen. Voraussichtlich noch vor der Sommerpause 2017 soll das Gesetz im Bundestag beschlossen und damit nach vielen Jahren endlich Wirklichkeit werden. Am 03. Januar 2017 meldete sich der Geschäftsführer der Internetplattform Drivy, Paulin Dementhon, in der Welt zu Wort und beschwerte sich, dass seine Angebotsform des privaten Autoteiles („Peer-to-Peer“) vom Carsharing-Gesetz benachteiligt würde. Das ist ein starker Vorwurf. Aber stimmt er auch?

Drei mögliche Formen der Bevorrechtigung von CarSharing-Fahrzeugen werden durch das Gesetz ermächtigt:

  • Stellplätze im öffentlichen Straßenraum können exklusiv für alle gekennzeichneten CarSharing-Fahrzeuge reserviert werden, egal ob sie stationsunabhängigen („free-floating“) oder stationsbasierten Angeboten – beispielsweise während der Nutzung durch ihre Mieter - angehören. Dabei haben einzelne CarSharing-Fahrzeuge jedoch keinen Anspruch auf einen bestimmten Stellplatz.
  • Andere Stellplätze im öffentlichen Straßenraum können für die Fahrzeuge eines Anbieters exklusiv vorgehalten werden. Das ermöglicht es stationsbasierten Anbietern, ihre Fahrzeuge auf solchen Unternehmens-spezifisch reservierten Stellplätzen bereitzustellen.
  • Die Kommunen können Parkgebühren für CarSharing-Fahrzeuge und Mietkosten für Stellplätze im öffentlichen Raum ermäßigen.

Tatsache ist: Das CarSharing-Gesetz berücksichtigt zurzeit das Peer-to-Peer CarSharing nicht. Dafür gibt es allerdings auch sehr gewichtige, inhaltliche Gründe.

Erstens: Die privaten Pkw, die über die Plattformen des privaten Autoteilens vermittelt werden, können keine Privilegien wie die Fahrzeuge des organisierten CarSharing beanspruchen, da sich nicht unterscheiden lässt, ob das Fahrzeug sich gerade in der Nutzung seines privaten Besitzers befindet oder in der über die Plattform vermittelten gesharten Nutzung. Die Privilegierung von privaten Fahrzeugen im Straßenraum, bei denen nicht zuverlässig angezeigt werden kann, ob sie sich in der Privatnutzung oder in der CarSharing-Nutzung befinden, würde dem Missbrauch Tür und Tor öffnen. Sie torpediert damit auch die Akzeptanz der Kommunen für die Ausweisung von CarSharing-Stellplätzen. Wie die Anbieter dieses Problem beheben wollen, ist zurzeit vollkommen unklar. Darüber macht auch Dementhon in der Welt keine Aussage.

Zweitens: CarSharing soll private Pkw überflüssig machen. Dabei spielt die Praktikabilität im Alltag eine besondere Rolle. Beim organisierten CarSharing tragen die selbständige Reservierung von Fahrzeugen und der eigenständige Zutritt zum Auto sowie die dezentrale Verteilung der Fahrzeuge in den Stadtteilen dazu bei, dass die Dienstleistung problemlos in die Alltagsmobilität integriert werden kann. Beim privaten Autoteilen sieht das noch etwas anders aus.

Die Stiftung Warentest veröffentlichte in der Zeitschrift test im November 2015 das Ergebnis eines Verbrauchertests der damals drei auf dem deutschen Markt zugänglichen Peer-to-Peer Plattformen. Die Tester hatten die Aufgabe, fünf Anmietungen durchzuführen und damit die Praktikabilität des Anmietvorgangs zu bewerten. Sie benötigten in einem Fall 23 Anläufe bei verschiedenen Fahrzeuganbietern, um eine Anmietung hinzubekommen. Bei anderen Plattformen war es nicht viel besser. Das bedeutet, dass auf den Plattformen zwar eine bedeutende Zahl von privaten Pkw angeboten wird, die jedoch im konkreten Fall nur sehr bedingt auch zur tatsächlichen Vermietung zur Verfügung stehen. Zuverlässigkeit im Sinne des anfragenden Autosuchenden sieht anders aus. Im Zweifel sind es also doch private Pkw wie jeder andere und kein für das CarSharing verfügbares Angebot, das im Sinne des CsgG privilegiert werden könnte.

Solange die Plattformen nicht gewährleisten können, dass die online angezeigten Autoangebote auch tatsächlich einigermaßen regelmäßig zur Anmietung zur Verfügung stehen oder für den Nachfragenden gar ein Anspruch auf solche Fahrzeuge besteht, sollte auch keine Privilegierung im Straßenraum erfolgen. Die Plattformen des privaten Autoteilens sind in Deutschland noch relativ jung und entwickeln sich erst noch, worauf auch die immense Fluktuation der Besitzerstrukturen hindeutet. Ein möglicher Entwicklungsweg könnte sein, dass in Zukunft zwischen privaten Autobesitzern, die ihr eigenes Fahrzeug nur gelegentlich anderen zur Verfügung stellen, und solchen, die daraus ein gewerbliches Angebot entstehen lassen, das ausschließlich oder hauptsächlich zur Vermietung gedacht ist, differenziert wird. Wenn diese Unterscheidung auf Basis von nachprüfbaren Kriterien erfolgt, spricht möglicherweise nichts dagegen, dass diese gewerblichen Teilangebote auf den Peer-to-Peer Plattformen dann auch Privilegierungen nach dem CsgG in Anspruch nehmen können.

Das Carsharing-Gesetz sieht im § 6 eine Evaluierung der Gesetzeswirkung vor. Die Ergebnisse sollen bis zum 01.07.2021 in einem Bericht veröffentlicht werden. In der Gesetzesbegründung wird damit ausdrücklich die Möglichkeit verbunden, eventuell weitere Formen der gemeinschaftlichen Autonutzung in den Genuss der Privilegien des Gesetzes kommen zu lassen. Das ist eine Chance, die die Plattformen des privaten Autoteilens in ihrer Geschäftsentwicklung nutzen können und sollten.

Auch deshalb kann von einer Benachteiligung dieser Angebotsform im Moment keine Rede sein.

Willi Loose, 24.01.2017