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CarSharing und ÖPNV 2003

Optimierung einer Win-Win-Situation: die Zusammenarbeit zwischen Verkehrsunternehmen und CarSharing

CarSharing und ÖPNV 2003

Im November 2002 wurde von Ulrike Huwer, Universität Kaiserslautern, eine vom Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswirtschaft in Auftrag gegebene Studie mit dem Titel "Pilotstudie zur Modellierung einer Schnittstelle zwischen ÖPNV und CarSharing" fertiggestellt. Sie hatte zum Ziel, das räumliche und organisatorische Zusammenspiel von ÖPNV und CarSharing zu optimieren. Dies soll die Attraktivität beider Seiten erhöhen und dadurch neue Kundengruppen für die kombinierten Mobilitätsangebote gewonnen werden. Die Studie wurde als Band 55 in der Grünen Reihe des Fachgebiets Verkehrswesen der Universität Kaiserslautern herausgegeben.
 

Stand der Zusammenarbeit zwischen Verkehrsunternehmen und CarSharing-Anbietern Ende 2000

Von 147 Verkehrsunternehmen, die eine bundesweite Umfrage im Rahmen der Studie beantworteten, haben 49 eine Kooperation mit CarSharing-Anbietern, bei 15 weiteren ist eine solche Kooperation im Dezember 2000, dem Zeitpunkt der Befragung, geplant. Damit verfügten zu diesem Zeitpunkt etwa 20 % der deutschen Verkehrsunternehmen und Verbünde über eine Kooperation mit CarSharing-Anbietern oder waren kurz davor. Dies zeigt, dass das Interesse an der Zusammenarbeit prinzipiell vorhanden ist, auch wenn die Initiative zur Kooperation dabei selten von den Verkehrsunternehmen ausging. Seit 1997 hat sich die Anzahl der Kooperationen kontinuierlich erhöht.

Erste Erfahrungen mit der Zusammenarbeit werden fast ausschließlich positiv bewertet. Deutlich skeptischer fällt in der Befragung das Urteil bei denjenigen Verkehrsunternehmen aus, die (noch) keine Kooperation eingegangen sind. Ein Viertel der nicht kooperierenden Verkehrsunternehmen kennt überdies keinen in Frage kommenden CarSharing-Anbieter in seinem Bedienungsgebiet.

In 31 deutschen Städten wurden die Formen der Zusammenarbeit (Stand Ende 2000) näher untersucht:

  • In nahezu der Hälfte der untersuchten Städte besteht ein gemeinsames Produkt, das kombinierte Angebot wird unter einem eigenen Produktnamen angeboten. In sechs Städten wird eine gemeinsame Zugangsberechtigung zum ÖPNV und zu den CarSharing-Fahrzeugen angeboten, wenn auch in Form getrennter Karten, da die elektronische Chipkarte zum Zeitpunkt der Befragung bei den Verkehrsunternehmen - im Unterschied zu den CarSharing-Anbietern - noch nicht als Zugangsmedium eingeführt war.
  • Mehr als die Hälfte der CarSharing-Anbieter erhält Stellplätze für die CarSharing-Fahrzeuge auf den verkehrsbetriebseigenen Flächen der Verkehrsunternehmen.
  • Eine direkte räumliche Verknüpfung von CarSharing-Stationen und Haltestellen des ÖPNV ist nicht Gegenstand der Zusammenarbeit.
  • In allen 31 näher untersuchten Städten wirkt sich die Kooperation auf die Preisgestaltung der CarSharing-Nutzung aus, wobei die CarSharing-Anbieter bei ÖPNV-Abonnenten häufig auf Einnahmen oder Kaution verzichten.
  • In 22 Städten (71 %) werden an einer Anlaufstelle Informationen über ÖPNV-Angebote, CarSharing und das gemeinsame Kombiangebot vermittelt. Eine gemeinsame Servicenummer mit Informationen zu ÖPNV und CarSharing wird in 14 Städten geschaltet. In 21 Städten kann ein Vertragsabschluss für das Kombiangebot an einem Schalter, meist im Kundencenter des Verkehrsbetriebes, vorbereitet werden. Die Einzelheiten des Vertrags für die CarSharing-Nutzung müssen dann jedoch meist beim CarSharing-Anbieter geklärt werden. Informationen über das Zusatzangebot CarSharing werden in 24 Städten von den Verkehrsunternehmen bereitgestellt, sind jedoch oft nur schwierig auf der Internetseite zu finden.
  • 28 von 31 Verkehrsunternehmen werben mit Flyern oder anderen Printmedien wie Plakaten für das gemeinsame Angebot. In 21 Städten wurden auch die ÖPNV-Fahrzeuge als Werbeflächen genutzt. Nach Aussage der Verkehrsunternehmen werben in 15 Städten die CarSharing-Organisationen für das gemeinsame Angebot. Darüber hinaus wurde in Pressekonferenzen und durch Presseartikel über den Start des Angebotes berichtet.

71 % der näher befragten Verkehrsunternehmen geben an, dass sie mit der bestehenden Kooperation mit den CarSharing-Anbietern zufrieden sind. Die Hälfte der Verkehrsunternehmen ist zufrieden oder sehr zufrieden mit der Stammkundenbindung durch das Zusatzangebot CarSharing. Bei der Neukundengewinnung ist hingegen eine deutlich reserviertere Einschätzung gegeben: Nur 32 % der Verkehrsunternehmen sind in dieser Hinsicht zufrieden bis sehr zufrieden, während sieben Verkehrsunternehmen unzufrieden bis sehr unzufrieden mit dem Neukundeneffekt der Kooperation sind. Zwei Drittel der Verkehrsunternehmen sind mit dem Imagegewinn als moderner Mobilitätsdienstleister, den sie mit der Kooperation erzielt haben, zufrieden.

Das Fazit der Autorin Ulrike Huwer aus diesem ersten Teil der Untersuchung lautet, dass die Verkehrsunternehmen ihre Rolle im Angebot der kombinierten Mobilität noch nicht genügend geklärt haben. Dies zeigt die - zum Zeitpunkt der Befragung - noch spürbare Zurückhaltung bei der aktiven Kontaktaufnahme und die noch nicht ausreichende Kommunikation über die Vorteile und positiven Erfahrungen von Kooperationen innerhalb der Verkehrsunternehmen.

Anmerkung bcs: Inzwischen hat der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) in einer offiziellen Schrift den Verkehrsunternehmen empfohlen, weitreichende Formen der Zusammenarbeit mit CarSharing-Organisationen aufzunehmen.

Praxistest der Optimierung bestehender Kooperationen in Mannheim und Aachen

Im zweiten Teil der Untersuchung wurden Bestandteile einer idealtypischen Zusammenarbeit entwickelt und ortsspezifisch angepasst in zwei Untersuchungsgebieten ausprobiert. Als wesentliche Bausteine einer Kooperation zwischen Verkehrsunternehmen und CarSharing-Anbietern und zugleich auch Qualitätsprüfsteine für die Umsetzung wurden folgende Punkte aufgeführt:

  • Produkt der lokalen Situation anpassen.
  • Räumliche Schnittstellen als erkennbare Mobilitätspunkte ausbilden.
  • Kundenbetreuung: Mobilität aus einer Hand anbieten.
  • Einfache Preisstruktur mit geringen Einstiegshürden.
  • Testbarkeit der kombinierten Angebote ermöglichen.
  • Gemeinsam für kombinierte Mobilität werben.

Für die Testgebiete Mannheim und Aachen wurden vorhandene Formen der Zusammenarbeit und gemeinsame Produkte bewertet und Optimierungsmöglichkeiten aufgezeigt. In der praktischen Umsetzung wurden sowohl ÖPNV-Neukunden als auch bestehende ÖPNV-Abonnenten, die erstmals CarSharing ausprobierten, und neu geworbene bzw. bestehende CarSharing-Kunden, die zusätzlich eine ÖPNV-Jahreskarte testeten, als Teilnehmer eines Annahmetestes für das Angebot der kombinierten Mobilität ÖPNV und CarSharing gewonnen.

Für den Bekanntheitsgrad der Testangebote in den Modellprojekten waren folgende Medien von besonderer Bedeutung: An erster Stelle kampagnenspezifische Poster und Zeitungsberichte, gefolgt von Informationsblättern und Internet zur Bereitstellung von Sachinformationen und drittens die Präsenz der Angebote im öffentlichen Raum (Fahrzeugwerbung, Stellplatzgestaltung und Hinweise in den Fahrplaninformationen).

Anmerkung bcs: An dieser Stelle wird wiederum die Notwendigkeit der derzeitigen Gesetzesänderung des Straßenverkehrsgesetzes deutlich, wodurch CarSharing-Stationen im öffentlichen Straßenraum ermöglicht werden würden. Die Fahrzeugen und Stationen würden damit öffentlicher und könnten besser für sich selbst werben.

Um den Annahmeprozess des neuen Angebotes in den beiden Testgebieten nachvollziehen zu können, wurden Befragungen mit unterschiedlichen Personengruppen durchgeführt:

  • Die neuen Angebote wurden in je zwei Stadtteilen Mannheims und Aachens den Bewohnerinnen und Bewohnern mit Mailings bekannt gemacht. In einem Kurzfragebogen wurde zunächst der Bekanntheitsgrad des CarSharing ermittelt.
  • 992 Personen begründeten in einem Fragebogen, warum sie das Angebot nicht annehmen möchten (begründete Ablehner).
  • 112 Personen haben in beiden Städten Interesse am Ausprobieren des Angebots bekundet.
  • Letztlich nahmen 45 Personen in Mannheim und 42 Personen in Aachen an dem Test des kombinierten Angebots teil und berichteten über ihre Erfahrungen (Testpersonen). Von diesen Testpersonen sind 40 % potenzielle CarSharing-Neukunden, 50 % vorhandene ÖV-Kunden, die sich für das Zusatzangebot CarSharing interessieren, sowie 10 % vorhandene CarSharing-Kunden (nur in Aachen gesondert angesprochen).
  • Nach Ende der zeitlich begrenzten Testphase wurden die Testpersonen zu ihrer Absicht befragt, auch weiterhin als Kunde sowohl des Verkehrsunternehmens als auch des CarSharing-Anbieters das kombinierte Angebot zu nutzen.

Über die Hälfte der Testpersonen befanden sich in einer persönlichen Umbruchsituation (Lebenssituation oder Alltagsorganisation), die sie empfänglich für neue Angebote machten. Die Teilnahme am CarSharing bedeutet in dieser Situation eine sinnvolle Ergänzung bisheriger Verkehrsmittelalternativen, es wurde damit eine Mobilitätslücke ausgefüllt, die ansonsten bei einigen durch den Kauf eines eigenen Autos geschlossen worden wäre.

Alle Testpersonen zeigen in ihrem Mobilitätsverhalten eine ausgeprägte Nutzungsdominanz für die Verkehrsmittel des Umweltverbundes auf. Dies gilt sogar für diejenigen Tage, an denen ein CarSharing-Auto genutzt wurde. Auch wurde im räumlichen Aktionsradius eine ausgesprochene Nahraumorientierung festgestellt.

Im Ergebnis weist die Studie eine typische Win-Win-Situation aus:

  • Durch das kombinierte Mobilitätsangebot wurde die Anschaffung von Pkw in den Testhaushalten vermieden. Das Verkehrsverhalten bleibt weiterhin auf den Umweltverbund ausgerichtet.
  • Durch die Zusammenarbeit konnten neue Kundengruppen für das CarSharing gewonnen werden, die von der typischen CarSharing-Klientel abweicht. Der Bekanntheitsgrad von CarSharing wurde erhöht und die Präsenz des CarSharing-Angebotes in der Öffentlichkeit verbessert.
  • CarSharing eignet sich als Mittel der Kundenbindung für den ÖPNV. Mit der Zusatzleistung CarSharing können neue Kundengruppen für den ÖPNV gewonnen werden. Die Verkehrsunternehmen profitieren von Modernität und Innovation des CarSharing-Angebotes.

CarSharing ist also in der Lage, gewissermaßen als vierte Säule den Umweltverbund (Bus und Bahn; Fahrrad, Zu-Fuß-Gehen) zu ergänzen.

Zum Abschluss der Studie werden Standards der kombinierten Mobilität aufgezählt, die im Wahrnehmungsbereich der Kundinnen und Kunden erfüllt sein sollten. Diese weiterzuentwickelnden Standards können folgenden Bereichen zugeordnet werden: Integration von CarSharing in das ÖPNV-Angebot, Service aus einer Hand; Werbung für kombinierte Mobilität sowie Angebot umfassender Mobilitätsdienstleistungen.

Quelle: Huwer, Ulrike (2003): Kombinierte Mobilität gestalten: Die Schnittstelle ÖPNV - CarSharing. Grüne Reihe Nr. 55, Fachgebiet Verkehrswesen, Universität Kaiserslautern. Kaiserslautern

erstellt von Willi Loose am 14.05.2007