Sie sind hier

Autonomes Fahren

Einsatz-Szenarien für autonome Fahrzeuge im CarSharing

Autonomes Fahren

Autonome Fahrzeuge werden die Mobilität der Zukunft verändern. Sie können die Grundlage für einen effizienteren und bequemeren Umweltverbund sein. Sie können aber auch die Attraktivität des privaten Autobesitzes weiter steigern und damit die negativen Auswirkungen des Individualverkehrs weiter verschärfen. Auf einer Fachtagung hat der Bundesverband CarSharing e.V. mit Experten die Möglichkeiten für eine nachhaltige Nutzung autonomer Fahrzeuge im CarSharing und im Umweltverbund diskutiert.

Quelle: Eschenzweig / Wikicommons

Einsatzszenarien für autonome Fahrzeuge

Harald Zielstorff, Geschäftsführer der cantamen GmbH, stellt drei verschiedenen Varianten vor, um autonome Fahrzeuge im Umweltverbund einzusetzen:

  1. Autonome Linienbusse

Bei diesem Konzept fahren vollautonome Fahrzeuge im Linienverkehr mit festgelegten Haltestellen. Zielstorff nennt als Beispiel ein Projekt von Postbus aus der Schweiz. Hier wird ein spezieller Mini-Bus eingesetzt, der auf einem Rundkurs im öffentlichen Straßenraum verkehrt. Dies Konzept ist dem klassischen ÖPNV sehr nah und stellt eine Ergänzung zu bestehenden Linienverkehren da.

  1. Autonome Ridesharing-Shuttles

Bei dieser Variante verkehren Shuttle-Busse im Ridesharing-Modus on-demand: Der Kunde gibt via App seinen Standort und sein gewünschtes Ziel an. Der Shuttle-Bus holt ihn dann ab und nimmt unterwegs weitere Fahrgäste an Bord, deren Fahrtwünsche und –ziele miteinander kompatibel sind. Die Bündelung der Fahrtwünsche und die Routenplanung des Busses übernimmt ein Algorithmus im Hintergrund.

In verschiedenen Städten (Hannover, Hamburg, Duisburg, Berlin) testen Mobilitäts-Start-ups wie CleverShuttle und door2door zurzeit solche Systeme. Zielstorff berichtet vom Modellversuch der Firma MOIA in Hannover. Mit 20 Kleinbussen und 3.500 angemeldeten Nutzern bedient MOIA hier rund 2/3 des Stadtgebiets. Die Wartezeiten der Kunden liegen zwischen 5 und maximal 15 Minuten. Aus einem ähnlich gelagerten Versuchen der Firma CleverShuttle in Hamburg ist aber bekannt, dass die Sharing-Quote dort momentan bei 20 bis 30 Prozent liegt. Das heißt: In der der Mehrzahl der Fälle sind die Fahrzeuge nur mit einem Fahrgast besetzt.

Zielstorff weist darauf hin, dass bei dieser Variante noch unklar ist, ob sie am Ende Bestandteil des ÖPNV sein oder aber in Konkurrenz zu ihm stehen wird.

  1. Autonome CarSharing-Fahrzeugen / „Robotaxis“

Durch den Einsatz autonomer Fahrzeuge verschmelzen die Betriebsmodelle von Taxi und CarSharing zu einer Dienstleistung: Die Fahrzeuge suchen den Kunden selbständig auf, bringen ihn zum gewünschten Ziel und fahren dann zur nächsten Buchung.

Zielstorff weist darauf hin, dass dies Modell gegenüber dem Ridesharing-Ansatz wegen der geringen Besetzung der Fahrzeuge Nachteile bei der Verkehrsentlastung habe. Im ungünstigsten Fall kann es bei sehr großen Systemen zu einem rasanten Anstieg der Verkehrsbelastung kommen. Das zeigen etwa die ITF-Szenarien für Lissabon und weitere Städte.

Können CarSharing-Anbieter von autonomen Fahrzeugen profitieren?

Zielstorff stellt eine Modellrechnung vor, wonach nur rund 40 freie CarSharing-Fahrzeuge gebraucht werden, um bei einer garantierten maximalen Wartezeit von 5 Minuten für den Kunden jeden Buchungsort innerhalb der Stadtfläche von Hannover rechtzeitig zu erreichen. Bei 15 Minuten Wartezeit wären sogar nur 8 Fahrzeuge nötig. Diese Rechnung zeigt, dass es keiner riesigen autonomen Flotte bedarf, um die CarSharing-Nachfrage sinnvoll abdecken zu können.

Zahl benötigter autonomer Fahrzeuge für eine vollständige geografische Abdeckung (Quelle: Harald Zielstorff)

Auf der betriebswirtschaftlichen Seite geht Zielstorff davon aus, dass die Kosten für die Hardware – das heißt nötige Sensoren usw. im und am Fahrzeug – überschaubar sein werden. Wichtiger und fraglicher sei aber, ob CarSharing-Anbieter an die nötige Software herankommen können, die die Fahrzeuge dann steuert. Im Betrieb werden die höheren Anfangskosten durch die deutlich verbesserte Auslastung der Fahrzeuge kompensiert. Da Auslastung der zentrale Wertschöpfungshebel ist, sind die Zahl der aktiven Kunden und der Preis diejenigen Parameter, an denen die Wirtschaftlichkeit autonomer CarSharing-Fahrzeuge letztlich hängt.

Strategische Herausforderungen für die CarSharing-Branche

Zielstorff nennt als wichtigste strategische Herausforderung für die CarSharing-Branche den Zugang zu autonomen Fahrzeugen und zur nötigen Software. Denn sicherlich werden Fahrzeughersteller und Software-Entwickler versuchen, die innovative Technik gegen den Zugriff anderer Firmen abzuschotten, um sich einen Wettbewerbsvorteil zu sichern. Hier sieht er auch den Bundesverband CarSharing gefordert, für Zugangsmöglichkeiten zu sorgen. Zielstorff selbst hält es sogar für denkbar, dass die zum Betrieb der Fahrzeuge nötige Software zum Teil als öffentliche Infrastruktur deklariert werden könnte. Dies sei vorstellbar, weil die ersten Tests autonomer Fahrzeuge auf Testfeldern im öffentlichen Straßenraum stattfinden und wesentlich durch Steuermittel mitfinanziert sein werden. Zudem sei ein Test verschiedener Mobilitätsanbieter mit verschiedenen Geschäftsmodellen im Allgemeininteresse, da die Auswirkungen der Technik auf das gesamte Verkehrssystem enorm sein könnten.

Vor dem Hintergrund, dass autonome Fahrzeuge den städtischen Verkehr als private Pkw stark belasten, als geteilte Fahrzeuge aber auch stark entlasten könnten, hält Zielstorff die gegen den privaten Autobesitz gerichtete Positionierung der CarSharing-Anbieter in der anstehenden Debatte für hilfreich.

 

Welche Zukunft wollen wir für unsere Städte?

Diese Frage stellt Caroline Cerfontaine, Combined Mobility Manager beim internationalen Dachverband der ÖPNV-Unternehmen UITP, ins Zentrum ihres Vortrags.

Autonome Fahrzeuge, so Cerfontaine, haben das Potenzial, den urbanen Verkehr nachhaltig positiv zu verändern. Studien des International Transport Forum ITF belegen für verschiedene europäische Städte, dass die heute dort zurückgelegten Wege sich mit 20 Prozent der dort heute verwendeten Fahrzeuge realisieren ließen, wenn alle Fahrzeuge vollautonom wären. Voraussetzung dafür ist aber, dass diese Fahrzeuge geteilte Fahrzeuge sind – und zwar im Ridesharing-Modus. Dieselben Studien belegen auch, dass eine Umstellung vom heute vorherrschenden privaten Pkw auf den privaten autonomen Pkw die Fahrleistung auf den Straßen und die damit einhergehenden Belastungen explosionsartig ansteigen lassen. Die alles entscheidende Frage ist daher: Schaffen es die Städte, aus dem heutigen Nischenmarkt Shared Mobility das vorherrschende Mobilitätsmodell zu machen, bevor autonome Fahrzeuge für private Haushalte verfügbar werden?

Alternative Szenarien für die Einführung autonomer Fahrzeuge (Quelle: UITP)

Autonome Fahrzeuge machen einen neuen, integrierten Umweltverbund möglich

Die UITP empfiehlt, autonome Fahrzeuge in urbanen Räumen als Teil eines aus verschiedenen Komponenten bestehenden Gesamtkonzepts einzusetzen:

  • Die Hauptlinien des ÖPNV bleiben bestehen und werden ausgebaut. Sie sind das „Rückgrat“ des urbanen Mobilitätssystems und dienen dazu, die vor allem morgens und abends auftretende Spitzennachfrage mit maximaler Effizienz zu bedienen.
  • Autonome Minibus-Systeme ersetzen die heutigen Buslinien. Sie dienen, on-demand und im Linienverkehr, als Zubringer zu den ÖPNV-Hauptlinien.
  • Autonome Kleinbusse im Ridesharing-Modus befriedigen außerhalb der Stoßzeiten die Nachfrage nach innerstädtischen Direktverbindungen.
  • Autonome Carsharing-Taxis geben die Möglichkeit, für einzelne Wege individuell unterwegs zu sein.

In einem so aufeinander abgestimmten System der Verkehrsträger ermöglicht die Technik des Autonomen Fahrens ein urbanes Mobilitätssystem, dass sowohl bequem als auch maximal effizient ist. Die UITP fordert Städte und Kommunen auf, durch rechtzeitige Tests und durch regulatorische Maßnahmen hierfür den Rahmen zu schaffen.

Das urbane Verkehrssystem mit autonomen Fahrzeugen (Quelle: UITP)

PDF: Download der Präsentation von Harald Zielstorff

PDF: Download der Präsentation von Caroline Cerfontaine

PDF: Download Policy Brief der UITP zum Thema "Autonomes Fahren" (Englisch)