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Nationaler Entwicklungsplan CarSharing 2021 - 2025

Vorrang für das CarSharing im motorisierten Individualverkehr der Zukunft

Nationaler Entwicklungsplan CarSharing 2021 - 2025

CarSharing ist die einzige Form der Pkw-Mobilität, die sich energie- und flächeneffizient ins klimaneutrale Verkehrssystem der Zukunft einfügt. Die gemeinschaftliche Nutzung eines Pkw muss zum Normalfall des motorisierten Individualverkehrs werden. Deutschland kann das weltweite Vorbild für diese neue Form der Pkw-Mobilität werden. In unserem Nationalen Entwicklungsplan CarSharing beschreiben wir, was dafür bis 2025 zu tun ist.

Ein CarSharing-Fahrzeug ersetzt bis zu 20 private Pkw. Der flächendeckende Ausbau des CarSharing schafft Platz in den Städten und fördert Multimodalität. Bild: Third

CarSharing ist unverzichtbar für das Erreichen der Klimaziele im Verkehr

Die Klimaschutzziele der Bundesregierung sehen insgesamt und somit auch für den Verkehrssektor „Nullemissionen“ bis zum Jahr 2045 vor. Es gibt keine Einzelmaßnahme, um das zu schaffen, wir brauchen schnelles Handeln auf allen Ebenen. Eine Energiewende im Verkehr würde nach Berechnungen des Umweltbundesamtes etwa die Hälfte der Emissionen einsparen. Nur durch eine gleichzeitige Mobilitätswende kann eine ressourcenschonende Treibhausgasneutralität erreicht werden. Das betrifft insbesondere auch den motorisierten Individualverkehr: Zur Steigerung der Energieeffizienz im Gesamtsystem muss heutiger Pkw-Verkehr in hohem Ausmaß auf die Verkehrsmittel des Umweltverbunds verlagert werden. Wir stärken den Klimaschutz, wenn Pkw-Mobilität für möglichst viele Haushalte von der regelmäßigen Gewohnheit zur gezielt eingesetzten Option im Mobilitätsmix wird. CarSharing schafft dafür das geeignete und unverzichtbare Angebot. Studien zeigen: CarSharing-Nutzer*innen legen ihre Wege schon heute deutlich öfter als Autobesitzer*innen mit Verkehrsmitteln des Umweltverbunds zurück, obwohl sie Zugang zu einem Auto haben.

  • Im klimaneutralen Verkehrssystem der Zukunft stellt CarSharing den Bürger*innen Pkw-Mobilität ressourcenschonend und bezahlbar für jene (wenigen) Wege zur Verfügung, für die effizientere Alternativen nicht geeignet sind.

  • Die Bundesregierung muss den weitgehenden Umbau der Pkw-Mobilität zu einem Sharing-System jetzt vorantreiben. Nur dann kann Klimaneutralität im Verkehr so hergestellt werden, das Deutschland als siebtgrößter Verursacher von Treibhausgasemissionen den notwendigen Beitrag zur Erreichung des globalen 1,5-Grad-Ziels von Paris erbringt.

CarSharing ermöglicht lebenswerte Städte

Rund 48 Mio. Pkw dominieren derzeit das Verkehrsgeschehen in Deutschland. Pro Fahrt sitzen in jedem Pkw durchschnittlich 1,5 Personen. Kein anderes Verkehrsmittel verbraucht im ruhenden wie im fließenden Verkehr so viel Fläche pro beförderte Person. Pkw besetzen Platz, der für andere Nutzungen fehlt. Vor allem in unseren Städten ist eine Neuverteilung des knappen Raums dringend notwendig, um Zufußgehen und Radfahren attraktiver zu machen, den ÖPNV zu fördern und mehr Lebensqualität zu schaffen. Das Umweltbundesamt rechnet uns vor: Für den klimaneutralen und flächeneffizienten Verkehr in der lebenswerten Stadt der Zukunft müssen pro 1.000 Einwohner*innen 150 Pkw reichen. Heute sind es in den Großstädten durchschnittlich 450 Pkw. Studien zeigen: Viele CarSharing-Kund*innen haben ihren privaten Pkw bereits abgeschafft. Zum Teil kommen hier auf 1.000 Nutzer*innen nur noch rund 100 private Pkw. Das Ziel von 150 Pkw je 1.000 Einwohner*innen ist bereits heute erreichbar.

  • Im Verkehrssystem der Zukunft stellt CarSharing den Bewohner*innen der Städte Pkw-Mobilität wohnortnah und maximal flächensparsam zur Verfügung.

  • Die Bundesregierung muss den Umbau der urbanen Pkw-Mobilität zu einem Sharing-System jetzt beginnen, um in den Städten zügig Platz für die Verkehrsmittel des Umweltverbunds und mehr Lebensqualität zu schaffen.

Was ist zu tun?

Derzeit stehen in Deutschland 26.200 CarSharing-Fahrzeuge in 855 Städten und Gemeinden zur Verfügung. Was wir brauchen, ist ein schneller Ausbau des Angebots, der dazu führt, dass Car-Sharing flächendeckend verfügbar wird und den privaten Autobesitz als Leitprodukt der Pkw-Mobilität ablösen kann. Ein derart schnelles Wachstum können die CarSharing-Anbieter nur mit Unterstützung der Politik schaffen. Mit folgenden Maßnahmen kann die schnelle Umstellung der Pkw-Mobilität auf Sharing erreicht werden:

  1. Flächendeckenden Ausbau der CarSharing- Infrastruktur fördern

  2. Regulative Hindernisse für die CarSharing- Förderung beseitigen

  3. Bessere Rahmenbedingungen für E-CarSharing schaffen

  4. CarSharing, ÖPNV und andere Sharing-Angebote digital vernetzen

  5. Vorrang für Sharing beim Autonomen Fahren

  6. Sharing als neues Leitbild für den motorisierten Individualverkehr

 

 

Die Maßnahmen im Einzelnen

1. Flächendeckenden Ausbau der CarSharing-Infrastruktur fördern

26.220 CarSharing-Fahrzeuge werden deutschlandweit bereitgestellt. 12.020 Fahrzeuge des stationsbasierten CarSharing stehen in 855 Städten und Gemeinden an 6.200 Stationen zur Verfügung. 14.200 Fahrzeuge des free-floating CarSharing und von neuen kombinierten Systemen (stationsbasiertes und free-floating CarSharing aus einer Hand) werden in 35 Städten angeboten. Finanziert wurde und wird der Ausbau des CarSharing-Angebots und die Expansion in neue Gebiete bisher eigenwirtschaftlich von den CarSharing-Anbietern selbst.

Mit dem Carsharinggesetz (CsgG) von 2017 hat die Bundesregierung die rechtliche Grundlage für den flächendeckenden Auf- und Ausbau von CarSharing-Stellplätzen im öffentlichen Raum bereits geschaffen. Daran orientierte Landesgesetze haben die Förderung mittlerweile in vielen Bundesländern voll umsetzbar gemacht.

Die Bundesregierung muss in Zukunft den Ausbau des CarSharing-Angebots in der Fläche und die Verdichtung des Angebots im städtischen Raum finanziell fördern. In allen innenstadtnahen Wohngebieten muss bis 2025 für jeden Haushalt mindestens ein verlässlich verfügbares CarSharing-Angebot in fußläufiger Entfernung (maximal 400 Meter) erreichbar sein. In kleinen und mittleren Städten und im ländlichen Raum muss sich die Zahl der CarSharing-Stationen bis 2025 verdreifachen. Das bedeutet:

  • Finanzielle Förderung der Kommunen für die Erstellung der CarSharing-Infrastruktur im öffentlichen Raum (Einzelstellplätze, CarSharing-Stationen, Mobilstationen)
  • Anschubförderung über drei Jahre für die Anbieter neu bereitgestellter CarSharing-Fahrzeuge in peripheren Lagen, in mittleren und kleinen Städten und im ländlichen Raum
  • Förderung des Aufbaus von Kapazitäten und von Beratungsangeboten, die kommunale Verwaltungen dazu befähigen, CarSharing-Stellplätze im öffentlichen Raum schnell zu planen, auszuschreiben, zu vergeben und baulich herzustellen
  • Spezielle KMU-Förderung für kleine und mittlere CarSharing-Anbieter, die schon heute Car-Sharing in peripheren Lagen und in kleineren Städten anbieten und die zusätzliche Liquidität für eine beschleunigte Expansion benötigen
  • Förderung bürgerschaftlichen Engagements zur Organisation von CarSharing- und Shared-Mobility-Angeboten im ländlichen Raum

2. Regulative Hindernisse für die CarSharing-Förderung beseitigen

Alle heute noch bestehenden regulativen Hürden für die CarSharing-Förderung müssen zügig beseitigt werden:

  • Streichung der Vorschrift in §5 CsgG, dass stationsbasierte CarSharing-Anbieter, die Car-Sharing-Stellplätze im öffentlichen Raum besetzen wollen, in jedem Fall nach Eignungskriterien ausgewählt werden müssen
  • Klarstellung in §5 CsgG, dass bei der Bestimmung der Höhe von Sondernutzungsgebühren für zugeordnete CarSharing-Stellplätze die Bepreisung des wirtschaftlichen Vorteils gegen den Förderzweck der Sondernutzungserlaubnis für CarSharing abgewogen werden muss
  • Überarbeitung der VwV zur StVO, mit dem Ziel, die Umsetzung der CarSharing-Förderung für die Kommunen zu vereinfachen
  • Neuordnung der Halterhaftung für Sharing-Anbieter: Gemäß §21 Straßenverkehrsgesetz haftet für Verstöße gegen die Pflicht, kein Kraftfahrzeug ohne gültigen Führerschein zu führen, nicht nur die Fahrer*in, sondern auch der Fahrzeughalter. Dies ist für Flottenbetreiber ein unkalkulierbares rechtliches Risiko. Für alle Sharing-Dienste sollte dieser Teil der Halterhaftung gestrichen werden. Davon ausgenommen wäre nur die Kontrolle des Vorliegens eines gültigen Führerscheins bei der Aufnahme neuer Kund*innen. Hilfsweise: Öffnung einer Schnittstelle für die Führerschein-Abfrage beim KBA.

3. Bessere Rahmenbedingungen für E-CarSharing schaffen

Die deutschen CarSharing-Anbieter sind Vorreiter und Wegbereiter der Elektromobilität. 18,5 Prozent der CarSharing-Fahrzeuge sind elektrisch angetrieben (zum größten Teil ausschließlich batterie-elektrisch). Im gesamten deutschen Pkw-Bestand liegt der E-Anteil hingegen bei gerade einmal 1,2 Prozent.

Ihren Erfolg hat die CarSharing-Branche unter schwierigen Bedingungen erzielt. Denn die Bundesregierung hat es bisher versäumt, eine Förderung von CarSharing-Ladepunkten auf den Weg zu bringen. Eine spezielle Förderung der Fahrzeugbeschaffung der CarSharing-Anbieter fehlt ebenfalls. Das ist besonders kontraproduktiv, weil so die erheblich höheren Kosten der Elektromobilität zulasten einer schnelleren Expansion gehen. Die Bundesregierung muss daher sofort folgende Maßnahmen ergreifen:

  • Gezielte Förderung von Kommunen zur Schaffung von Ladepunkten an zugeordneten Stellplätzen für CarSharing im öffentlichen Raum
  • Sonderprogramm „CarSharing“ für die geförderte Beschaffung von E-Fahrzeugen oder Car-Sharing-Bonus als neuer Bestandteil allgemeiner Förderprogramme
  • Vorrang der Förderung von Ladepunkten für öffentlich zugängliche Mobilitätsangebote im privaten Raum (in allen Förderprogrammen)

4. CarSharing, ÖPNV und andere Sharing-Angebote digital vernetzen

CarSharing ist der Mobilitäts-Baustein, der es dem Umweltverbund ermöglicht, direkt mit dem privaten Pkw zu konkurrieren. Umweltverbund und CarSharing mit digitaler Technik eng zu verzahnen, ist eine unverzichtbare Strategie, um die Dominanz des privaten Pkw zu beenden, ohne die individuelle Mobilität einzuschränken.

Eine nationale Lösung zur digitalen Integration von Umweltverbund und Sharing ist in Deutschland jedoch bisher nicht verfügbar. Die existierenden Förderstrukturen sind auf eine Ertüchtigung des ÖPNV fokussiert und haben immer neue, lokal begrenzte, technisch nicht kompatible Schaufenster-Projekte geschaffen. Um zu zeigen, dass es anders geht, hat die CarSharing-Branche eigenständig eine „Einheitliche CarSharing-Schnittstelle“ für Deutschland entwickelt. Das zeigt: Die digitale Vernetzung ist möglich – kundenorientiert, national, kooperativ und nach einheitlichen Spielregeln. Um eine flächendeckende, technisch kompatible und alle Mobilitätsangebote betreffende digitale Vernetzung zu schaffen, muss die Bundesregierung folgende Maßnahmen ergreifen:

  • Verpflichtung aller Betreiber von Personenbeförderungs- und Mobilitätsdienstleistungen, sich bis 2025 einem Vernetzungsstandard für den Austausch von Daten mit multimodalen Buchungssystemen für Mobilität anzuschließen. Verschiedene Vernetzungsstandards für Branchen, Teilbranchen oder Gruppen von Diensten (CarSharing, Bikesharing, Micromobility, On-Demand-Ridesharing etc.) sind möglich. Sachlich angemessene Vernetzungsstandards werden in Zusammenarbeit mit den jeweils betroffenen Stakeholdern bestimmt.
  • Koordinierte Förderung der Entwicklung miteinander kompatibler technischer Schnittstellen und entsprechender Datennutzungsvereinbarungen in allen Branchen, Teilbranchen oder Gruppen von Diensten

5. Vorrang für Sharing beim Autonomen Fahren

Alle Verkehrssimulationen zeigen dasselbe: Wenn wir autonome Fahrzeuge genauso nutzen, wie heute private Pkw, dann ist der Verkehrsinfarkt vorprogrammiert. Die hinzukommenden Leerfahrten und die verbesserte Attraktivität autonomer Pkw gegenüber dem ÖPNV lassen sich durch Effizienzgewinne bei der Koordination der einzelnen Fahrzeuge nicht wettmachen.

Zugleich zeigen die Verkehrssimulationen aber auch: Ein mit den Hauptlinien des ÖPNV integriertes System von autonomen On-Demand-Kleinbussen könnte unsere Städte in weitgehend autofreie Lebensräume verwandeln, ohne dabei die Mobilität einzuschränken.
In diesem wünschenswerten Szenario spielt das CarSharing eine wichtige Rolle als Mobilitätsangebot für diejenigen Wegezwecke, die das Angebot der Massen- und Gruppentransportmittel nicht abdeckt. Nur wenn die Pkw-Option im Gesamtsystem ebenfalls zur Verfügung steht, sind private Haushalte nicht darauf angewiesen, sich selbst autonome Pkw anzuschaffen. Deshalb muss die Bundesregierung schnell in die Erprobung und den Ausbau des autonomen CarSharing als Ergänzung zum autonomen ÖPNV investieren. Autonome Pkw müssen im Sharing verfügbar sein, bevor private Haushalte sich selbst solche Fahrzeuge kaufen können. „Vorrang für Sharing“ bedeutet:

  • Sofortige und vorrangige Förderung der Erprobung und Skalierung aller Anwendungsfälle für Autonomes Fahren, bei denen öffentliche Fahrzeuge von den Bürger*innen gemeinsam und geteilt genutzt werden
  • Verpflichtung für Fahrzeughersteller, Standardschnittstellen für die Ansteuerung Sharing-relevanter Funktionen in autonomen Fahrzeugen anzubieten

6. Sharing als neues Leitbild für den motorisierten Individualverkehr

Die Bundesregierung muss im Straßenverkehrsrecht und in ihrer Förderpolitik Sharing als neues Leitbild für Pkw-Mobilität umsetzen. Das bedeutet insbesondere:

  • Alle Bereiche der Verkehrsgesetzgebung werden daraufhin überprüft, wie bestehende Hürden für den Ausbau von Shared Mobility und den Umstieg auf diese Mobilitätsalternativen beseitigt werden können. Neuregelungen zur Förderung des Sharing werden geschaffen, wo möglich und nötig.
  • Alle finanziellen Förderungen im Verkehrsbereich werden so gestaltet, dass geteilte Mobilität mit Priorität gefördert wird. Wo nötig, werden neue Förderungen geschaffen.
  • Alle offenen und versteckten Subventionen und Privilegierungen des privaten Pkw-Besitzes – von der pauschalen Dienstwagenbesteuerung über Diesel-Subventionen, von der Prämie für die private Anschaffung von E-Autos bis zur generellen Erlaubnis für private Pkw, auf öffentlichen Straßen zu parken – werden zurückgefahren oder Sharing-freundlich umgestaltet.

Wie lässt sich der Transformationsprozess im motorisierten Individualverkehr finanzieren?

Die Umsetzung des Leitbilds „Vorrang für CarSharing“ in der Pkw-Mobilität kann allein durch die Beseitigung klima- und umweltschädlicher Subventionen des Pkw-Verkehrs finanziert werden. Die Bundesregierung verzichtet jedes Jahr durch die Pauschalbesteuerung privat genutzter Dienstwagen auf mindestens 3,1 Mrd. Euro Einnahmen und durch Steuererleichterungen für Dieselfahrzeuge auf mindestens weitere 7,4 Mrd. Euro. Eine fehlerhafte, auf die Unterstützung möglichst langer Wege fixierte Pendlerpauschale verschlingt weitere 5,1 Mrd. Euro. Mit einem Bruchteil dieser fehlgeleiteten Subventionen kann die Bundesregierung die Pkw-Mobilität klimaverträglich und flächeneffizient neu ausrichten.

Mit der neu eingeführten CO2-Abgabe ergibt sich ein zusätzlicher Finanzierungsansatz. Mit einem Teil der Einnahmen aus dem Straßenverkehr kann der Transformationsprozess des Pkw-Verkehrs finanziert werden – hin zu einer klimaneutralen und multimodalen Mobilität mit CarSharing als wesentlichem Baustein.

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PDF: Nationaler Entwicklungsplan CarSharing 2021 - 2025